Wanna smash?

Mein Mitleid weicht der Verachtung. […] Er wird jede Chance ergreifen, […] im Patriarchat aufzusteigen. Das trennt uns. Verbünden könnte uns nur eins: der kollektive Verrat am Patriarchat.

Die großartige Kolumne Rudel der Schuhgucker von Elsa Koester im Freitag schleppe ich nun seit über einem halben Jahr als geöffneten Tab im Browser mit mir herum. Als ich sie letztes Jahr gelesen habe, hat sie mich so getroffen, dass ich sie unbedingt hier thematisieren wollte. Aber seitdem schiebe ich es vor mir her, weil ich nie das Gefühl hatte, passende eigene Worte dazu finden zu können. Nun springe ich endlich über meinen eigenen Schatten, da am vergangenen Wochenende wieder eine extreme Situation in diesem Kontext vorgefallen ist und mir das Thema sehr im Kopf schwirrt.

Die beschriebene Situation im Zug ist mir so vertraut, dass ich allein vom Lesen schon Stress bekomme. Der suchende Blick nach Verbündeten für den Fall einer Eskalation. Oft mit dem Hintergedanken, vielleicht einen anderen suchenden Blick zu treffen, und dann ein wenig Sicherheit signalisieren zu können. Aber fast nie genug Mut, solche Idioten einfach zu konfrontieren. Auch nicht aus meiner privilegierten Position als weißer, fitter Mann heraus. Das hochkochende Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Gewalt, die so ein Rudel betrunkener, aggressiver Idioten ausüben kann. Die Angst, im Ernstfall alleine dazustehen. Erinnerungen an die Situationen, in denen wirklich etwas passiert ist. Die innere Anspannung, um jederzeit im Bruchteil einer Sekunde bereit zu sein, wenn es auf einmal nicht mehr “nur” um die Menschenwürde sondern um Leib und Leben geht.

Und während alledem: Wut. Zorn. Hass. Verachtung. Rachephantasien, für die ich Gefängnis verdien, wie die fetten Brote einst so treffend getextet haben. Ich mag es nicht, wenn dieser Mr. Hyde, dieser Hulk in mir aufkommt, aber ich kann nicht leugnen, dass es geschieht. Ich rede mir ein, dass ich mir nicht wie im Artikel beschrieben insgeheim wünsche, mittels Gewalt einfach selbst zum coolen Obermacker werden zu können. In diesen Momenten ist alles, was ich möchte, den Terror beendet zu sehen. Und die Idioten im Dreck. Am Boden. Jeglicher Macht beraubt. In meiner Vorstellung bleibt dadurch kein Vakuum offen, dass es dann irgendwie zu füllen gälte. Es ist auch nebensächlich wodurch oder durch wen dieses Ergebnis erreicht wird. Aber natürlich ist Gewalt auch hier keine Lösung. Strukturelle Probleme brauchen strukturelle Lösungen, und da das Patriarchat nur im Feminismus ernsthaft als Problem adressiert wird, ist dieser Artikel eine wundervoll prägnante Antwort, wenn mal wieder die Frage kommt, weshalb ich mich als Feminist sehe.

Das Patriarchat kann gar nicht schnell genug zu Grunde gehen. Bis auf ein paar erbärmliche Arschlöcher hat dabei niemand etwas zu verlieren, ganz im Gegenteil.